Giselher Klebe ist neuer Ehrenbürger von Detmold
Pressemitteilung
Pressemitteilung der Stadt Detmold
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Giselher Klebe ist neuer Ehrenbürger von Detmold
Detmold. "In Anerkennung und Würdigung seiner besonderen Verdienste um Detmold als Stadt der Musik und aus Hochachtung vor dem künstlerischen Lebenswerk des Komponisten wird Herr Professor Giselher Klebe zum Ehrenbürger der Stadt Detmold ernannt," so lautet der offizielle Urkundentext einer besonderen Auszeichnung, die dem 77-jährigen Komponisten jetzt von der Stadt Detmold verliehen wurde.
Ungezählte Preise für sein musikalisches Werk hat der renommierte Komponist und langjährige Professor der Hochschule für Musik bereits erhalten, die Ehrenbürgerrechte erhielt er als Detmolder.
"Detmold ist eine der Stadt der Musik und der Kultur, doch dieses Prädikat muss immer wieder neu erarbeitet werden. Sie haben durch ihr künstlerisches Wirken in besonderer Weise dazu beigetragen und darüber hinaus Detmold national und international bekannt gemacht," so Bürgermeister Friedrich Brakemeier bei der Urkundenübergabe im "Brahmssaal" der Musikhochschule. "Wir danken Ihnen mit dieser Ehrung für ihre langjährige Verbundenheit mit unserer Stadt." Einstimmig hatte der Rat der Stadt Detmold einer Empfehlung des Kulturausschusses folgend am 27. Juni beschlossen, Prof. Giselher Klebe die städtischen Ehrenbürgerrechte zu verleihen. Brakemeier betonte den besonderen Wert dieser Auszeichnung: "Der Rat war in den letzten Jahren sehr zurückhaltend mit der Verleihung der Ehrenbürgerrechte. Nach dem ehemaligen Bürgermeister der Partnerstadt Hasselt, Baron Paul Meyers im Jahr 1988, ist Giselher Klebe erst der zweite Bürger, der in der Nachkriegszeit diese Würde verliehen bekommt."
Prof. Martin Christoph Redel, Schüler und persönlicher Freund Klebes hielt die Laudatio. Immer wieder kehrte er neben den kompositorischen Leistungen in seinen Ausführungen zu einer besonderen Tugend des neuen Ehrenbürgers zurück und würdigte die Treue zur Detmolder Hochschule für Musik. Zahlreiche Angebote in - und ausländischer Hochschulen hatte Klebe zugunsten Detmolds abgelehnt, wo er von 1957 bis 1990 als Professor und nach seiner Pensionierung als Lehrbeauftragter bis 1998 pädagogisch tätig war. Klebe selber berichtete schließlich selbst über seine ersten Eindrücke in Detmold, als er mit seiner Familie vor 45 Jahren nach Detmold zog und fest entschlossen war, dorthin eines Tages auch wieder zurückzukehren. "Der unkomplizierte Umgang mit den Detmoldern und die vielen herzlichen und intensiven Freundschaften, die an der Hochschule entstanden, ließen uns bald feststellen, dass wir in Detmold zu Hause sind. Die Ehrung ist für mich keineswegs selbstverständlich. Ich bin gerührt und es macht mich auch ein bisschen stolz!"
Musikalisch umrahmt wurde die Feierstunde von der "Fantasia incisiana", ein Werk Giselher Klebes, von Friederike Scheller mit der Violine und Christian Koehn am Klavier hervorragend in Szene gesetzt.
Laudatio
Auf Professor Giselher Klebe anläßlich der Verleihung der Ehrenbürgerrechte der Stadt Detmold am 8. Oktober 2002 – von Prof. Martin Christoph Redel
Lieber Giselher Klebe,
sehr geehrte Damen und Herren,
nicht erst mit der Erbauung des Hoftheaters im Jahre 1825 stellte die Stadt Detmold unter Beweis, welchen Stellenwert Kunst und Kultur hier einnehmen sollen, denn auch schon in den davor liegenden Jahrzehnten und Jahrhunderten gab es innerhalb der Mauern dieser Residenz ein reiches musikalisches und kulturelles Leben.
Einen Zeitzeugen für die künstlerisch-stilistische Weite dieses kleinen Ortes finden wir auch heute noch an jenem Gebäude an der Lange Straße, in dem sich früher das "Hotel Stadt Frankfurt" befand. Dort heißt es:
Hier wohnte Brahms
hier hat Lortzing, Grabbe und Freiligrath getrunken
bis die Sonne durchs Fenster gewunken
dann sind sie leise nach Hause gehunken.
Einen sicherlich entscheidenden Akzent in der Kulturgeschichte Detmolds setzte die 1946 - eigentlich eher zufällig h i e r - erfolgte Gründung der ersten Staatlichen Musikhochschule Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg, die dem Namen Detmolds in Künstlerkreisen bis auf den heutigen Tag einen musikalisch hochrangigen Klang verleiht.
Der Gedanke, einem international anerkannten Komponisten, der nun seit 45 Jahren in dieser Stadt lebt und arbeitet die Ehrenbürgerrechte zu verleihen (die weder Brahms noch Lortzing, Grabbe oder Freiligrath zuteil wurde) empfinde ich als einen schönen Beweis dafür, daß sich die Stadt der Bedeutung bewußt ist, eine so renommierte Persönlichkeit wie Giselher Klebe in ihren Mauern zu haben, der ja durchaus zahlreiche Angebote, an anderen Instituten zu lehren zugunsten von Stadt und Hochschule Detmold ausgeschlagen hat.
Der Aufgabe, eine kleine Laudatio auf Giselher Klebe zu halten komme ich gern nach, weil meine erste Bekanntschaft mit ihm nun auch schon annähernd 40 Jahre zurückliegt und sich unsere Begegnungen in den vielen Jahren vom Schüler-Lehrer-Verhältnis über die Kollegialität im Rahmen der Hochschularbeit immer mehr zur heutigen, mir wertvollen Freundschaft entwickelt hat.
Am 28. Juni 1925 in Mannheim geboren, lag die Musik in Giselher Klebes Elternhaus sozusagen schon "in der Luft", denn seine Mutter war Geigenlehrerin und wandte diese Fähigkeit auch bereits auf den Siebenjährigen an. Mit 9 Jahren kam Klavierunterricht hinzu und die ersten Kompositionen des Dreizehnjährigen fallen in das Jahr 1938. - Zwei Jahre später begann Klebe seine Studien am Städtischen Konservatorium Berlin, nachdem längst klar war, daß er Komponist werden würde, während - was in keiner Biographie vermerkt ist - er v o r Aufnahme seiner Musikstudien vor der Ent-scheidung stand, Komponist oder Maler werden zu wollen.
Von 1943 bis 1945 mußte er sich dem Arbeits- und Militärdienst stellen und geriet in russische Kriegsgefangenschaft, ehe er 1946 seine Studien bei dem Schönberg-Schüler Josef Rufer sowie privat bei Boris Blacher fortsetzen konnte. - Im gleichen Jahr heiratete er die Geigerin Lore Schiller, wurde beim Berliner Rundfunk Bandprüfer und Programmgestalter und nahm 1949 erstmals an den Darmstädter Ferienkursen teil, wo er mit Henze, Stockhausen, Boulez und Nono zusammentraf. Insbesondere mit Luigi Nono verband ihn - jenseits aller stilistischen Unterschiede - eine intensive Freundschaft.
Klebes Liebe zur bildenden Kunst fand eine markante und für seinen Weg als Komponist signifikante musikalische Umsetzung in seinem opus 7, dem Orchesterwerk "Die Zwitschermaschine", einer Metamorphose über das gleichnamige Bild von Paul Klee, komponiert 1950 und noch im gleichen Jahr bei den Donaueschinger Musiktagen mit großem Erfolg uraufgeführt. Das Zustandekommen dieser für Klebes Karriere wichtigen Aufführung schildert er immer wieder dankbar unter Hinweis auf die durchaus nicht alltägliche Situation kollegialer Unterstützung: Hans Werner Henze nämlich war es, der die gerade fertig gewordene Partitur bei einem Besuch im Hause Klebe sah und spontan darum bat, die Komposition dem damals für die Donaueschinger Musiktage zuständigen Heinrich Strobel zur Aufführung vor-zuschlagen. - Gesagt, getan! Und der Erfolg des Werkes machte den gerade 25-jährigen in den Zirkeln der Neuen Musik schlagartig bekannt. Kompositionsaufträge deutscher Rundfunkanstalten reihten sich in der Folge aneinander - insbesondere für Orchesterwerke - und so entstanden bis 1954 u.a. die "Deux Nocturne", die Sympho-nien 1 und 2 sowie das Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester op.18. Die damaligen Dirigenten sind heute fast schon Legenden: Hans Rosbaud, Hermann Scherchen, Bruno Maderna oder Hans Schmidt-Isserstedt.
Aber schon während des eben umrissenen Zeitraums brach die große Begeisterung Klebes für das Genre Oper auf, das er bis heute mit immerhin 13 gewichtigen Werken bereicherte. 1952 begann er -wohlgemerkt: ohne einen Auftrag dafür zu haben oder eine Aufführungsmöglichkeit zu sehen - die Arbeit an seiner ersten Oper "Die Räuber", deren Text nach Schiller er selbst einrichtete, und in einem viele Jahre später ge-führten Gespräch äußerte sich Klebe zur Bedeutung der Opern in seinem Gesamtschaffen mit folgenden Worten:
"Meine spezielle Liebe zur Oper entwickelte sich aus einer schon sehr früh gewonnenen Erkenntnis, daß meine Musiksprache ohne dramatische Hintergründe nicht auskommt. Ich bin kein abstrakter Musiker in dem Sinne, daß mich das Spiel der Töne a priori interessiert. Mich interessierte und interessiert immer nur das Spiel der Töne im Sinne der Gewinnung einer Aussage, die ich als Ansprache an das Gegenüber, das meine Musik hört, verstehe. Und dadurch steht natürlich das Kantable und das Textgebundene im Vordergrund."
In einem engen Zusammenhang zu diesem Bekenntnis stehen auch die zahllosen Hinweise Klebes auf das von ihm im Verlauf mehrerer Jahrzehnte entwickelte Harmoniesystem, zu dem er sich wie folgt äußerte:
"Bald nach Beendigung der 'Zwitschermaschine' hatte ich erkannt, welche geheimnisvolle Kraft von der Idee der Komposition mit den zwölf Tönen im Sinne Arnold Schönbergs ausging. Die Faszination war um so größer, als die Überwindung eines formelhaften Schematismus' durch Schönberg selbst schon mitgeteilt worden war, obwohl einige Apologeten der sogenannten 'Zwölftonmusik' einen unbeirrbaren Schematismus predigten.
Beginnend mit meinem Streichquartett op. 9 setzte ein Adaptionsprozess bei mir ein, der mich im Verlauf von etwa 15 Jahren zu einer eigenen, harmonisch steu-erbaren Zwölfton-Klangkomposition führte. (...) Es ist entscheidend für dieses System, einen hohen Grad an Flexibilität zwischen tonalen und atonalen Ton-strukturen zu erreichen. Tonal - Atonal sind keine Antithesen, sondern Farbwerte eines einheitlichen Klang-Spektrums. Auf diese Weise wird besonders im Bereich der dramatischen Komposition ein Höchstmaß an musikalischer Ver-bindlichkeit zu einem Intensitätsreservoir für den dramatischen Ausdruck. Denn um diese Suche nach der Wahrheit des dramatischen Ausdrucks geht es mir, seit ich meine umfassende Liebe zur Form der Oper richtig erkannt habe. Dabei stehen Stoffe und Aussagen, die aus dem so stark gefährdeten Bereich der Humanitas kommen, mir am nächsten.
Die Stoffe zu Klebes Opern gründen alle auf Schauspiel- oder Romanvorlagen, bei denen der angesprochene "stark gefährdete Bereich der Humanitas" sich in sehr unter-schiedlichen Ausprägungen zeigt:
An erster Stelle steht die Liebe, zu der und deren Kraft sich Klebe immer wieder bekannt hat und die in fast allen seinen Opern eine wichtige Rolle spielt. - Aber auch das Schuldigwerden im Unschuldigsein ist ein bedeutsames Thema, z. B. in "Der jüngste Tag" oder "Die Fastnachtsbeichte". Emigrantenschicksale stehen bei "Figaro läßt sich scheiden" ebenso im Zentrum des Geschehens wie in "Jacobowsky und der Oberst". Und "Das Mädchen aus Domrémy" - basierend auf Schillers "Jungfrau von Orleans" - setzt sich mit dem ewigen Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft auseinander.
Die formale Anlage der Werke knüpft unumwunden an die Tradition des 19. Jahrhunderts an, indem Klebe zumeist die Opernakte in Nummern untergliedert, die als Arien, Duette, Ensembles oder Chorszenen komponiert sind.
Seine Traditionsbezogenheit zeigt sich schließlich auch darin, daß der Zwölftonkomponist seine erste Oper - "Die Räuber" - "Dem Andenken Giuseppe Verdis gewidmet!" hat. So öffnet sich vor uns eine große, sowohl nach vorn als auch nach hinten gerichtete Weite des geistigen und menschlichen Horizonts, vor dem Klebe seine nun annähernd 150 Werke schrieb, und von dem ich einige Facetten nun zu beleuchten versuchen möchte:
Da wäre zunächst die schon angesprochene Individualisierung des Schönberg'schen Zwölftonprinzips, das Klebe zu einer äußerst persönlichen Klangspra-che entwickelte, die in ihrer Harmonik und Instrumentation bzw. den Instumentalfarben unverwechselbar ist.
Desweiteren ein tief verwurzeltes, von höchstem Respekt gekennzeichnetes Tradi-tionsbewußtsein, welches sich in der Einbeziehung individuell variierter Form- und Charaktertypen vergangener Zeiten wie etwa der Sonate, Passacaglia, Fuge, Scene und Arie, Invention, Tango oder Boogie niederschlägt. Aber auch die Nutzung und Verarbeitung von Originalzitaten - sowohl in den Opern als auch der Orchester- und Kammermusik - ist bei Klebe häufig anzutreffen. Beginnend bei seinem opus 16 mit der Einbeziehung von Mozarts Klavierkonzert in c-moll verneigt sich Klebe in zahlreichen anderen Werken u.a. vor Beethoven, Berlioz, Wagner, Strawinsky und - Giuseppe Verdi.
Dieses Traditionsbewußtsein wird produktiv kontrapunktiert von der Suche nach neuen Klanggestaltungsmöglichkeiten. Diese begann schon 1955, als Klebe im elektronischen Studio des WDR arbeitete. Wenngleich diese Tätigkeit auch nur eine nach Aussage des Komponisten gültige Arbeit (nämlich die "Interferenzen für 4 Lautsprecher) hervorbrachte, so griff Klebe im Bereich der Instrumentalmusik doch immer wieder auf die Einbeziehung von Elektronik bzw. Tonband zurück, z.B. im Ballett "Menagerie" oder den Opern "Die Ermordung Cäsars" und "Das Mädchen aus Domrémy".
Neuen bzw. grenzüberschreitenden Ausdrucksmöglichkeiten öffnete er sich auch durch die Einbeziehung von Elementen des Jazz. War es in der frühen Sonate für 2 Klaviere ein schwungvoller Boogie-Woogie als Abschluß, so bezog Klebe später auch die für dieses Genre typischen Instrumente wie E-Gitarre, E-Baß oder E-Orgel mit ein. 1993 komponierte er z.B. ein Stück für Sopran-Saxophon, Keyboards, Schlagzeug und E-Baß und wenig später schrieb er auch für Bobby Lamb und die seinerzeit neu gegründete Big-Band unserer Hochschule ein Werk.
Wer allerdings in der Komposition mit dem Titel "Herzschläge. Furcht, Bitte und Hoffnung. Sinfonische Szene für Beat-Band und großes Orchester op. 57" eine Auseinandersetzung zwischen Beat und Klassik erwartet, dürfte enttäuscht werden., weil der Begriff Beat sich hier vielmehr auf die Parallelität zwischen dem gleichbleibenden Pulsschlag einer Beatband und den - im Idealfall - gleichmäßigen Pulsschlag eines Menschen bezieht.
Dieses Werk nimmt vielmehr Bezug auf die schwere Herzerkrankung, an der Klebes Frau Lore Ende der sechziger Jahre litt. Und wer im Verlauf der zurückliegenden Jahrzehnte erleben durfte, von welcher geistigen und menschlichen Intensität das Zusammenleben von Lore und Giselher Klebe durchdrungen war, der konnte mit Begeisterung feststellen, wie wunderbar sich beide in allen Fragen ergänzten, und den Humor möchte ich dabei ausdrücklich erwähnen:
Seine damalige Leidenschaft, lieber Giselher, für die "Insterburger & Co." erlaube ich mir hier ebenso zu verraten wie Deine Neigung, Weckstaben zu verbuchseln - Verzeihung: Buchstaben zu verwechseln (um hierdurch zu humorvollen oder auch paradoxen Bedeutungen zu gelangen....). - Und daß man bei einer Komposition für Cembalo und Schlagzeug von einem kleinen Weihnachtsengel dazu inspiriert wird, die eher für Tschaikowsky typischen großen, offenen Becken dem zarten Cembalo gegenüberzustellen mutet skurril an, wurde von Dir aber in charmanter Weise umgesetzt.
Zahllose Kompositionen widmete Klebe seiner Frau und seit der Oper "Figaro läßt sich scheiden" war Lore Klebe entweder an der Erstellung von Libretti mitbeteiligt oder verfaßte sie gänzlich. - Die nachmittäglichen Spaziergänge des Ehepaars Klebe im Umfeld von Palaisgarten und Allee gehörten für viele aufmerksame Detmolder schon fast zum Stadtbild.
Dieser Stadt und dieser Musikhochschule, in die er als Nachfolger Wolfgang Fortners 1957 kam und an der er neben der Förderung junger Komponisten Legionen von Tonmeisterstudenten weit mehr als nur ein "Rüstzeug" umfassender Literatur-, Partitur- und Instrumentationskenntnisse mit auf deren verantwortungsvollen Berufsweg gab, dieser Stadt und dieser Hochschule hielt Klebe bis heute die Treue, ungeachtet internationaler Erfolge als Komponist oder Preisträger nationaler wie internationaler Wettbewerbe wie dem Berliner Kunstpreis, dem Preis "Mauricio Fürst" der Internatio-nalen Gesellschaft für Neue Musik in Stockholm, dem großen Kunstpreis des Landes NRW, dem Preis Premio Marzotto in Italien oder dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis (um nur einige zu nennen).
Die Ernennung zum Mitglied nicht nur der Freien Akademie der Künste Hamburg sondern auch der Akademie der Künste Berlin u n d der Bayerischen Akademie der Schönen Künste unterstreichen den künstlerischen Rang Klebes ebenso wie die Ver-leihung des Bundesverdienstkreuzes, des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse oder auch seine Wahl zum Präsidenten der Akademie der Künste Berlin und zum Präsidenten der Dramatiker-Union Berlin.
Das Besondere am Werk Klebes ist, daß seine Kompositionen sowohl an den soge-nannten "Brennpunkten der Neuen Musik" (wie z.B. Donaueschingen, Darmstadt, Graz) gespielt wurden, zur gleichen Zeit aber ebenso in regulären Symphonie- oder Kammerkonzerten erklangen und - im Falle seiner Opern - auf den Spielplänen der allzuoft als verstaubt und altmodisch gescholtenen Opernhäuser standen und hoffentlich auch weiterhin stehen werden. Hierzu gehörten u.a. die Staatstheater bzw. Staatsopern von Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, Mannheim, Stuttgart oder Zürich oder auch die Festspiele bzw. Festwochen von Berlin, Schwetzingen oder Wiesbaden.
Die endlose Liste von Interpreten weist historische Namen wie Jean Martinon, Rudolf Kolisch, Arthur Troester, Leopold Ludwig, Josef Keilbert, Edith Picht-Axenfeld, An-dré Navarra, das Hamann- und das Koeckert-Quartett ebenso auf wie die Namen von Ferdinand Leitner, Aurèl Nicolet, Helga Storck, Daniel Barenboim, Christoph von Dohnanyi, Hans Zender, Almut Rössler, Helmut Winschermann oder das Brandis-Quartett.
Und trotz dieser internationalen Anerkennung hat Giselher Klebe sich nie seinem direkten Detmolder Umfeld gegenüber verschlossen gezeigt. So komponierte er 1968 für die Einweihung der Neuen Aula unserer Hochschule seine "Scene und Arie für 3 Trompeten, 3 Posaunen, 2 Klaviere und 8 Violoncelli" und ebenfalls für die Neue Aula, nun aber zur Einweihung der neuen Orgel des Raumes seine "Passacaglia op. 56". Dies sind nur 2 Uraufführungen von durchaus zahlreicheren Premieren in Detmold, ganz zu schweigen von zahllosen Interpretationen Klebe'scher Werke in Kon-zerten der Hochschule, der Kirchen oder auch den Operndarbietungen durch Landes-theater und Musikhochschule.
Eine besonders enge aber ungewöhnliche Verbindung zwischen der Stadt Detmold, verehrter Herr Bürgermeister und dem nun neuen Ehrenbürger möchte ich abschließend nicht unerwähnt lassen, zumal sie auch einen Eindruck davon vermittelt, daß Klebe seine Bürgerschaft in dieser Stadt auch als solche sieht und annimmt:
Im April 1967 komponierte er ein kleines "Andante für 3 Soprane und Klavier zu vier Händen" auf den 1. Vers des 127.Psalms, welches anläßlich der Grundsteinlegung des Mädchengymnasiums Detmold am 9. Juni 1967 erst- und vermutlich letztmalig erklang, denn im Anschluß an die Aufführung wurde das Manuskript der Komposition mit dem Grundstein der Schule eingemauert. - Ein für mein Empfinden symbolisch-schöner Beweis für Klebes Verbundenheitsgefühl zu dieser Stadt.
Ich - als gebürtiger Detmolder - danke meiner Heimatstadt für die wunderbare Idee, einen der bedeutendsten deutschen Opernkomponisten nach dem 2. Weltkrieg und einen ebenso profilierten Schöpfer sinfonischer und kammermusikalischer Werke mit der Ehrenbürgerwürde auszuzeichnen. Einer Stadt, die sich schon durch einen Violinschlüssel im Logo als Musikstadt zu erkennen gibt und die ein im Verhältnis zu ihrer Größe ungemein vielfältiges Musik- und Kulturangebot bereit hält steht dies sehr gut zu Gesicht.
Herzlichen Glückwunsch, Giselher Klebe und herzlichen Dank an die Stadt Detmold.
Lebenslauf in Stichworten
28. Juni 1925
geboren in Mannheim, Eltern: Franz Klebe (1892-1966), kaufmännischer Prokurist; Gertrud Klebe, geb. Michaelis (1891-1983), Geigenlehrerin
1928
Giselher Klebes Schwester Ingrid wird geboren
1931
Erster Geigenunterricht bei der Mutter
Klebe geht auf die Pestalozzi-Volksschule in Mannheim
1932
Umzug nach München
Besuch der Schönherrschen Privatschule in München
1933
Erster Klavierunterricht
1936
Umzug nach Rostock
Trennung der Eltern, Umzug mit Mutter und Schwester nach Berlin
Besuch des Bismarck-Gymnasiums in Berlin
1938
Erste Kompositionen
1940
Klebe verläßt das Gymnasium mit Abschluß der Obertertia
Beginn des Studiums am Städtischen Konservatorium Berlin, Hauptfach Violine/Viola (bei Rudolf Nel), später hinzutretend Komposition (bei Kurt von Wolfurt)
Klebe erhält für sein Studium ein Stipendium der Stadt Berlin
1943
Einberufung zum Arbeitsdienst, anschließend Militärdienst als Funker einer Beobachtungsabteilung
1945
Entlassung aus russischer Kriegsgefangenschaft
1946
Kompositionsstudium am Internationalen Musikinstitut Berlin bei Josef Rufer (bis zum Sommer 1946)
Privates Kompositionsstudium bei Boris Blacher (bis 1951)
Heirat mit Lore Klebe, geb. Schiller
Anstellung beim Berliner Rundfunk als Bandprüfer im Archiv und als Programmgestalter (bis Ende 1948)
1947
Erste Aufführung einer Komposition Klebes in einem größeren Rahmen (Divertimento für Klavier op.1, 2)
Begegnung mit Wolfgang Fortner
1949
Uraufführung der "Divertisse-ments joyeux" in Darmstadt, Gasthörer bei den Internationalen Ferienkursen
Aufgabe der Rundfunktätigkeit wegen schwerer Erkrankung, deren allmähliche Ausheilung bis 1954 andauert
1950
Uraufführung der "Zwitschermaschine" in Donaueschingen
1952
Berliner Kunstpreis
1953
Förderpreis des Kulturkreises der Deutschen Industrie
1954
Preis der Internationalen Tagung "Musik im XX. Jahrhundert"
1955
Geburt der Tochter Sonja Katharina
Arbeit im Studio für Elektronische Musik des Kölner Rundfunks
1956
Preis "Mauricio Fürst" der IGNM Stockholm
1957
Berufung als Dozent für Komposition und Musiktheorie an die "Nordwestdeutsche Musikakademie Detmold" als Nachfolger von Wolfgang Fortner
Klebes zweite Tochter Annette wird geboren
1959
Großer Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen
Erstes Rom-Stipendium der Villa Massimo
1962
Ernennung zum Professor
Zweites Rom-Stipendium der Villa Massimo (bis 1963)
1963
Mitglied der Freien Akademie der Künste, Hamburg
1964
"Premio Marzotto", Valdagno (Italien)
Mitglied der Akademie der Künste, Berlin
1965
Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis
Sprengel-Kammermusikpreis des Kulturkreises der Deutschen Industrie
1970
Bundesverdienstkreuz
1975
Bundesverdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland
1977
Kompositionspreis und Ehrendirektor des Welt-Harfen-Kongresses in Kerkrade, Holland
1978
Mitglied der Bayerischen Akademie der Künste, München
1986
Präsident der Akademie der Künste, Berlin (bis 1989)
1986
Präsident der Musikabteilung der Dramatiker Union Berlin
1990
Pensionierung
Giselher Klebe
Am 5. Oktober 2009 ist Detmolds Ehrenbürger Giselher Klebe nach schwerer Krankheit in Detmold verstorben.
Mit folgendem Text würdigte die Stadt Detmold seine Verdienste:
Im Alter von 84 Jahren verstarb der Ehrenbürger der Stadt Detmold Giselher Klebe
In Trauer nehmen wir Abschied von einem Mann, der Zeit seines Lebens der Stadt Detmold eng verbunden war. Der berühmte Komponist wirkte seit 1962 über 30 Jahre als Professor für Komposition und Tonsatz an der Hochschule für Musik Detmold.
Auch danach setzte er sein künstlerisches Schaffen fort und schrieb u.a. 2007 seine letzte Oper “Chlestakows Wiederkehr”, die im Landestheater Detmold erfolgreich uraufgeführt wurde.
In Anerkennung und Würdigung seiner Verdienste um Detmold als Stadt der Musik und aus Hochachtung vor seinem künstlerischen Lebenswerk wurden Giselher Klebe im Oktober 2002 die Ehrenbürgerrechte der Stadt Detmold verliehen.
Alle Menschen, die ihn in persönlichen Gesprächen oder Begegnungen kennen lernen durften, schätzten seine bescheidene, freundliche und humorvolle Art.
Seine Persönlichkeit und sein künstlerisches Vermächtnis dokumentieren, welche Bedeutung er national und international in der Musik des 21. Jahrhunderts einnimmt.
In den Stunden der Trauer sind unsere Gedanken und unser Mitgefühl bei seinen Familienangehörigen. Wir werden Giselher Klebe in dankbarer Erinnerung behalten.
Stadt Detmold
Rainer Heller
Bürgermeister
Vita im Überblick
Giselher Klebe, 1925 in Mannheim geboren, verfaßt als 15jähriger erste Kompositionen und beginnt wenig später sein Studium am Städtischen Konservatorium Berlin, mit den Hauptfächern Violine/Viola und Komposition.
Nach dem Militärdienst und der russischen Kriegsgefangenschaft setzt Klebe 1946 sein Kompositionsstudium am Internationalen Musikinstitut Berlin bei Josef Rufer fort und studiert privat bei Boris Blacher bis 1951 weiter.
Nach einer Anstellung beim Berliner Rundfunk finden 1947 erste Aufführungen von Kompositionen Klebes im größeren Rahmen statt - 1949 die Uraufführung der "Divertisse-ments joyeux" in Darmstadt, 1950 die Uraufführung der "Zwitschermaschine" in Donaueschingen.
Es folgt eine "Flut" von Auszeichnungen und Preisen: 1952 erhält Klebe den Berliner Kunstpreis, 1953 den Förderpreis des Kulturkreises der Deutschen Industrie, 1954 den Preis der Internationalen Tagung "Musik im XX. Jahrhundert".
1955 nimmt Klebe die Arbeit im Studio für Elektronische Musik des Kölner Rundfunks auf, ein Jahr später erhält er den Preis "Mauricio Fürst", Stockholm, und wird als Dozent für Komposition und Musiktheorie an die "Nordwestdeutsche Musikakademie Detmold" als Nachfolger von Wolfgang Fortner berufen.
1959 wird Klebe mit dem Großen Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet und erhält sein erstes Rom-Stipendium der Villa Massimo.
1962 erfolgt die Ernennung zum Professor sowie das zweite Rom-Stipendium der "Villa Massimo" und die Aufnahme in die "Freie Akademie der Künste", Hamburg; ein Jahr später, nach dem "Premio Marzotto", Valdagno (Italien), nimmt die Akademie der Künste, Berlin, den Komponisten als Mitglied auf.
Die sechziger und siebziger Jahre bringen dem Komponisten den "Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis" und den "Sprengel-Kammermusikpreis" des Kulturkreises der Deutschen Industrie, das Bundesverdienstkreuz sowie das 1975 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und die Mitgliedschaft der Bayerischen Akademie der Künste, München.
Drei Jahre, 1986 bis 1989, fungiert Klebe als Präsident der Akademie der Künste, Berlin, und wird Präsident der Musikabteilung der "Dramatiker-Union" Berlin.
1990 wird Klebe als Professor in Detmold pensioniert, unterrichtet aber im Ruhestand bis 1998 als Lehrbeauftragter weiter an der Detmolder Musikhochschule.