Veranstaltung in der Reihe Revolution in Lippe. 1918 und der Aufbruch in die Demokratie

Prof. Dr. Peter Brandt zur Revolution und ihren Auswirkungen

 

 

Foto: Stadt Detmold

Detmold. Die ersten Schritte in die Demokratie sind in Deutschland vor 100 Jahren gegangen worden. Dazu zeigt das Lippische Landesmuseum noch bis zum 28. April die Ausstellung "Revolution in Lippe. 1918 und der Aufbruch in die Demokratie". Ein Vortrag des renommierten Historikers Prof. Dr. Peter Brandt ordnete jetzt das Geschehen in den europäischen Kontext ein.

Auf Einladung der Stadt Detmold referierte Prof. Dr. Peter Brandt über das Kriegsende und die Republikgründung in einem breiten Fokus. "Ich stelle das Geschehen aus der Vogelperspektive dar", erklärte Brandt. Der Professor für Neuere deutsche und europäische Geschichte an der Fernuniversität in Hagen, Mitglied unter anderem im Vorstand der Friedrich-Ebert-Stiftung, stammt aus einer besonderen Familie: sein Vater Willy Brandt war Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger, sein Bruder Matthias Brandt ist als Schauspieler bekannt. In seiner Begrüßung hob Bürgermeister Rainer Heller hervor, dass im "Großen Rathaussaal", in dem die Veranstaltung stattfand, vor genau 100 Jahren die erste demokratisch gewählte Stadtverordnetenversammlung zusammentrat. Vertreten waren erstmals auch zwei Frauen: "Es ist uns ein Anliegen, den Wert der Demokratie herauszustellen und sie nicht einfach als gegeben hinzunehmen." Heller freute sich, dass bereits über 9000 Menschen die in Kooperation mit dem Stadtarchiv Detmold entstandene Ausstellung im Landesmuseum besucht haben. Dr. Bärbel Sunderbrink erklärte einleitend, dass sich die Revolution in Lippe nicht ohne den Blick auf Berlin und München erklären lässt. Als Fürst Leopold IV. am 12. November 1918 auf den Thron verzichtete, hatte er sich zuvor informiert, wie die Wittelsbacher in der zugespitzten Lage reagiert hatten. Und auch das Ende des russischen Zarenreichs war in Detmold allzu bekannt.

Peter Brandt veranschaulichte, wie in ganz Europa am Ende des Ersten Weltkriegs die bestehenden politischen Systeme in Bewegung gerieten. Die Zeit zwischen 1917 und 1921 war von Revolutionen und Gegenrevolutionen geprägt, die in vielen Ländern bürgerkriegsähnliche Zustände mit sich brachten. Da Lenins Utopie einer Weltrevolution gescheitert war, formulierte Stalin 1924 die These vom "Sozialismus in einem Land".

In Deutschland war seit 1917 eine unübersehbare Kriegsmüdigkeit zu spüren. Der nahezu gewaltlose Umsturz im November 1918 hatte seinen Ausgang in der Befehlsverweigerung der Matrosen, die nicht mehr bereit waren, ihr Leben für einen verlorenen Krieg einzusetzen. Die sich nun formierenden Räte, Arbeiter- und Soldatenräte, entstanden zwar nach sowjetischem Vorbild, strebten aber nach neueren Forschungen keine sozialistische Revolution an. Die Räte waren auf Zeit bis zur Wahl der Nationalversammlung angelegt und hatten neben der Bewältigung der drängenden Versorgungsprobleme vor allem als Träger der Polizeigewalt Bedeutung. Eine Sozialisierung der Wirtschaft war nicht zu realisieren, dauerhaft konnte aber ein bis heute gültiger Basiskompromiss zur Tarifpartnerschaft durchgesetzt werden.

Der "ersten friedlichen Revolution in Deutschland" von November 1918 folgten in einer zweiten Phase gewalttätige Auseinandersetzungen, die im Kapp-Lüttwitz-Putsch von 1920 gipfelten. Der rechte Putschversuch konnte binnen weniger Tagen durch den größten Generalstreik der deutschen Geschichte abgewehrt werden. Die mittleren Jahren der Weimarer Republik waren dann durch relativ stabile politische und wirtschaftliche Verhältnisse gekennzeichnet. Ein wesentlicher Grund für das Scheitern der Weimarer Republik sei, so Brandt, die Weltwirtschaftskrise gewesen.

Dem faktenreichen Vortrag folgte eine rege Diskussion. Peter Brandt relativierte darin die Bedeutung der Lippischen Landtagswahl von Januar 1933 für die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Wichtiger seien Gespräche zwischen Hitler und Franz von Papen Anfang 1933 gewesen. Hindenburgs Rolle würde wegen dessen Alters häufig unterschätzt, er sei sich der Tragweite seiner Entscheidungen aber durchaus bewusst gewesen. Brandt stellte sich gegen die noch immer verbreitete Beurteilung der Weimarer Zeit von ihrem Ende her. Er plädierte dafür, die Weimarer Republik als eigenständige Zeitspanne mit eigenen Problematiken zu verstehen: "Natürlich hatte die Weimarer Republik ihre Schwächen, jedoch sollten wir uns auch vor Augen führen, dass es eine Leistung war, dass sie überhaupt 15 Jahre Bestand hatte." Er regte schließlich an, die demokratischen Traditionen Deutschlands als wichtigen Strang der Erinnerungskultur deutlicher hervorzuheben.