Detmold und das Warschauer Ghetto

Als Bundeskanzler Willy Brandt 7. Dezember 1970 während der Kranzniederlegung am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos auf die Knie sank, war das im Protokoll nicht vorgesehen. Mit dieser besonderen Geste erwies er den Opfern und den mutigen Aufständischen von 1943 eine besondere Würdigung. Später erklärte Willy Brandt: "Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt."

Als Detmolder tragen wir eine besondere Verantwortung für die Erinnerung an das Warschauer Ghetto. Die deutschen Besatzungstruppen hatten das Ghetto 1940 eingerichtet und dort unter erbärmlichen Umständen eine halbe Millionen Menschen eingepfercht, zunächst polnische Juden, später auch Juden aus dem Deutschen Reich - auch aus Lippe und Detmold.

Als das Ghetto im April 1943 geräumt und die letzten Überlebenden in die Vernichtungslager gebracht werden sollten, war es ein Detmolder, der von Heinrich Himmler dazu ausgewählt worden war, diese Aktion zu leiten: der SS- und Polizeiführer Jürgen Stroop. In seinem Bericht "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr!" hat Jürgen Stroop sein brutales Vorgehen gegen die jüdische Bevölkerung dokumentiert. Die Menschen wehrten sich erbittert gegen ihre Deportation, hatten aber in dem ungleichen Kampf keine Chance. Über 60.000 Menschen wurden getötet.

Jürgen Stroops Biographie dokumentiert, dass es keine "anonymen Nazis" waren, die den Völkermord an den europäischen Juden begangen haben. Es waren Ehemänner, Väter, Söhne, Nachbarn oder Kollegen. Menschen wie Stroop erlangten im NS-Regime Macht über Leben und Tod und verloren jegliche moralische Skrupel. Die soziale Nähe zu den späteren Opfern hat die Taten nicht verhindert. Am Beispiel von Jürgen Stroop lässt sich zeigen, dass sich die Lebenswege von Tätern und Opfern immer wieder kreuzten.

32 Menschen, die in Detmold gelebt haben, sind ins Warschauer Ghetto deportiert worden. Überlebt hat niemand. Die Strategie der Täter war es, die Opfer zu entmenschlichen. Das Anliegen dieser Dokumentation ist es, diesem etwas entgegen zu setzen. Jedem einzelnen Ermordeten gilt unser Gedenken.

Rainer Heller

Bürgermeister der Stadt Detmold

Detmold 2018 anlässlich des 75. Jahrestages des Warschauer Ghettoaufstands

Detmold und das Warschauer Ghetto - eine Gedenk- und Studienreise nach Warschau

Auf Initiative der Stadt Detmold/Stadtarchiv, Lippischen Landeskirche (Veranstalter) und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lippe e.V. begaben sich 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf eine Gedenk- und Studienreise nach Warschau. Anlass war der 75-jährige Jahrestag der Niederschlagung des Warschauer Ghettos.

Unter den Teilnehmern 20 Schülerinnen und Schüler des Grabbe-Gymnasiums Detmold, des Stadtgymnasiums Detmold, des Marianne-Weber-Gymnasiums Lemgo und Jugendliche aus dem kirchlichen Umfeld sowie Vertreter der Lippischen Landeskirche mit Landessuperintendent Dietmar Arends, Vertreterinnen der Stadt Detmold mit Bürgermeister Rainer Heller und des Kreises Lippe.

Das umfangreiche Besuchsprogramm teilte sich auf in einen Begegnungstag, einen Studientag und einem Gedenktag. Zu den Höhepunkten zählte u.a. der Empfang bei der Warschauer Stadtpräsidentin, die Besuche des ehemaligen Warschauer Ghettos, der Besuch des Polin-Museums, die Teilnahme an Gedenkveranstaltungen und die Begegnungen mit den Mitgliedern des evangelischen Partnergemeinde der Lippischen Landeskirche und der jüdischen Gemeinde. Musikalisch trug Prof. Matitjahu Kellig zu den emotionalen Momenten mit einem Klavierkonzert bei.


 

 

Impressionen aus Warschau

 

Empfang bei der Stadtpräsidentin in Warschau

Im Rahmen einer Gedenkreise nach Warschau wurde die 50-köpfige Detmolder Delegation heute von der Stadtpräsidentin Hanna Gronkiewicz-Waltz im Rathaus empfangen.

Im Mittelpunkt der fünftägigen Reise, die von der Stadt Detmold und der Lippischen Landeskirche aus Anlass des 75. Jahrestages der Niederschlagung des Warschauer Ghetto-Aufstandes vorbereitet wurde, steht das Gedenken an die Toten des Warschauer Ghettos. Neben den offiziellen Vertretern der Stadt Detmold, der Lippischen Landeskirche und des Kreises Lippe, sind Mitglieder der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lippe e.V. und 20 Schülerinnen und Schüler des Stadtgymnasiums, des Grabbe-Gymnasiums und des Marianne Weber-Gymnasiums (Lemgo) Teil der Reisegruppe. Sie werden unter anderem eine Gedenkfeier am Sonntag mit eigenen Wortbeiträgen gestalten und gemeinsam mit polnischen Jugendlichen an einem Kulturprogramm teilnehmen.

Die Stadt Detmold trägt bei der Erinnerungsarbeit an das Warschauer Ghetto eine besondere Verantwortung. Die deutschen Besatzungstruppen hatten 1940 das Warschauer Ghetto eingerichtet. Unter erbärmlichen und menschenunwürdigen Umständen wurden dort über eine halbe Millionen Menschen eingepfercht, neben polnischen Juden auch Juden aus dem Deutschen Reich, darunter 325 Menschen aus OWL, alleine 32 aus Detmold und Lippe. SS-Führer Heinrich Himmler beauftragte den SS-Mann aus Detmold, Jürgen Stroop, das Ghetto dem Erdboden gleich zu machen. Als Stroop am 19. April mit der Räumung des Ghettos begann, stieß er auf heftige Gegenwehr der Ghettobewohner. Mit dem mutigen Widerstand hatte niemand gerechnet.

In ihrer Begrüßung ging die Stadtpräsidentin auf die besondere Bedeutung der Bildungsarbeit und Information über die Geschichte ein. Für sie ist das der Weg, um wieder aufkeimende Tendenzen des Rechtspopulismus und der Fremdenfeindlichkeit entgegenzuwirken. Dieter Bökemeier, Pfarrer für Ökumene, Mission, Flucht und Migration in der Lippischen Landeskirche bezog sich in seinem Grußwort auf die jahrzehntelangen Beziehungen zur evangelisch-reformierten Kirche in Warschau, die von Anfang an im Zeichen der Versöhnung stand. "Uns ist wichtig, dass wir uns das unvorstellbare Verbrechen der Deutschen in Warschau immer wieder vor Augen halten, gerade in Zeiten, in denen Intoleranz und Antisemitismus in unseren Gesellschaften wieder zunimmt."

Detmolds Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink überbrachte die Grüße von Bürgermeister Rainer Heller, der am Wochenende zur Delegation stoßen wird. Sie betonte, wie wichtig der Stadt Detmold das Gedenken an die Opfer des NS-Regimes ist. Die Reise anlässlich des 75. Jahrestages der Niederschlagung des Ghettoaufstands trage der Tatsache Rechnung, dass Jürgen Stroop, einer der furchtbarsten Massenmörder der NS-Zeit, in Detmold beheimatet war. Seine Rolle bei der Ermordung der europäischen Juden ist in Detmold in einer Ausstellung aufgearbeitet worden. Sunderbrink überreichte der Stadtpräsidentin eine Dokumentation der Ausstellung. Sie berichtete von vielen Besuchern, die in Detmold das Archiv aufsuchen, um sich mit dem Schicksal der Opfer und der Rolle des Täters auseinander zu setzen. Ein besonderes Anliegen der Stadtpräsidentin war die Diskussion mit den Schülerinnen und Schüler über die Möglichkeiten eines Austausches und den Formen von Erinnerungsarbeit.

Zu den weiteren Programmpunkten des Besuchs in Warschau zählen ein Besuch des jüdischen Museums, Begegnungen in der evangelisch-reformierten Gemeinde und die Teilnahme am offiziellen Gedenkmarsch durch das ehemalige Warschauer Ghetto am Sonntag.

Emotionale Momente und Begegnungen

Was hat Detmold mit dem Warschauer Ghetto zu tun? Diese Frage stand am Anfang einer fünftägigen Gedenkreise, die die Lippische Landeskirche und die Stadt Detmold gemeinsam mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lippe e.V. aus Anlass des 75. Jahrestages der Niederschlagung des Warschauer Ghetto-Aufstandes initiierte. Die Spurensuche in Warschau führte an die Orte der Opfer und ihrer heutigen Denkmäler und Erinnerungsorte. Der Fokus richtete sich auch immer wieder auf den Täter Jürgen Stroop aus Detmold, einem der furchtbarsten Massenmörder der NS-Zeit, der in Polen als Synonym für Ermordung von 70.000 Menschen steht und damit verbunden mit der unvorstellbaren Unmenschlichkeit des deutschen Naziregimes.

Neben den offiziellen Vertretern der Stadt Detmold, der Lippischen Landeskirche und des Kreises Lippe, waren Mitglieder der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lippe e.V. und 20 Schülerinnen und Schüler des Stadtgymnasiums, des Grabbe-Gymnasiums und des Marianne Weber-Gymnasiums (Lemgo) Teil der Reisegruppe. Zu den Gastgebern in Warschau zählte insbesondere die ev. reformierte Partnergemeinde der Lippischen Landeskirche, die sich im Vorfeld an der Programmplanung beteiligte und die Delegation vor Ort betreute.

Zum Programm der Detmolder Besucher gehörte unter anderem ein Rundgang durch das Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos, der Besuch des jüdischen Museums "Polin" und einer Synagoge. Im Mittelpunkt des Besuches standen Gedenkveranstaltungen mit einem Gottesdienst (Predigt von Landessuperintendent Dietmar Ahrens) und einem Konzert von Prof. Matitjahu Kellig aus Detmold in der evangelisch-reformierten Kirche. Besonders eindrucksvoll war die Teilnahme an einem offiziellen Gedenkgang im ehemaligen Warschauer Ghetto und der Kranzniederlegung an der Gedenktafel am Platz des ehemaligen evangelischen Krankenhauses. Die Gedenktafel war vor 25 Jahren von der Stadt Detmold, dem Kreis Lippe und der Lippischen Landeskirche initiiert worden und erinnert daran, dass durch couragiertes Handeln der dort Beschäftigten Juden aus dem Ghetto das Leben gerettet werden konnte. Die mitgereisten Jugendlichen sorgten an diesem Ort mit ihren Texten und Wortbeiträgen für bewegende Momente bei allen Anwesenden. Bürgermeister Rainer Heller betonte in seiner Rede die besondere Verantwortung der Stadt Detmold für die Erinnerung an das Warschauer Ghetto: "Wir wollen heute an diesem historischen Ort ein Zeichen setzen, dass in Detmold diese Taten nicht in Vergessenheit geraten sind." Dieter Bökemeier, Pfarrer für Ökumene, Mission, Flucht und Migration in der Lippischen Landeskirche bezog sich in seinem Grußwort auf den neu aufkeimenden Rechtspopulismus und die wichtige Aufgabe der Erinnerungsarbeit: "Uns ist wichtig, dass wir uns das unvorstellbare Verbrechen der Deutschen in Warschau immer wieder vor Augen halten, gerade in Zeiten, in denen Intoleranz und Antisemitismus in unseren Gesellschaften wieder zunimmt."

Der Dank galt abschließend allen Beteiligten vor Ort in Warschau für ihre Unterstützung der Detmolder Reisegruppe, insbesondere der Stadtpräsidentin für ihren Empfang und ihre Wertschätzung und den Verantwortlichen der evangelisch-reformierten Partnergemeinde der Lippischen Landeskirche. Die Delegation war sich einig in ihrem Fazit, die Kontakte nach Warschau weiter zu pflegen und die Erinnerungsarbeit gemeinsam fortzusetzen.

Bewegende Momente für 20 Jugendliche aus Detmold und Lemgo

"Das ehemalige jüdische Wohnviertel Warschau besteht nicht mehr." Diesen Satz schrieb der SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Jürgen Stroop am 16. Mai 1943 in einem Fernschreiben an seine Vorgesetzten. In seinem Bericht hat er sein brutales Vorgehen gegen die jüdische Bevölkerung genau dokumentiert. Über 60.000 Menschen wurden ermordet. Wer war dieser Jürgen Stroop, der in Detmold geboren wurde und aufwuchs?

Mit dieser Frage setzten sich 20 Schülerinnen und Schüler vom Detmolder Grabbe-Gymnasium, vom Stadtgymnasium Detmold und dem Lemgoer Marianne-Weber-Gymnasium im Rahmen einer Gedenkreise nach Warschau auseinander. "Er war einer von uns und doch keiner von uns", so formuliert es Sophie Gurcke (Stadtgymnasium) in ihrer Rede an der Gedenktafel am Platz des ehemaligen evangelischen Krankenhauses am Rande des Warschauer Ghettos. "Jürgen Stroop war Bürger unserer Stadt, ging in eine unserer Schulen. Er kaufte in den Läden ein, in denen auch wir einkaufen. Viele unserer Wege waren die gleichen - doch war sein Lebensweg ein ganz anderer. Er war einer von uns - wie konnte er einer von 'denen' werden?" Beider Spurensuche standen unter anderem die Teilnahme an Gedenkveranstaltungen aus Anlass des 75-jährigen Jahrestages des Beginns des Ghetto-Aufstandes, ein Rundgang über das Gelände des Ghettos, ein Besuch einer jüdischen Synagoge und der Besuch des Polin-Museums auf dem Programm der fünftägigen Reise.

In täglichen Aufzeichnungen schrieben die Jugendlichen ihre Eindrücke und Erfahrungen nieder. Sie zeigten sich beeindruckt von der Offenheit der Stadt Warschau, der Gastfreundlichkeit der Menschen und dem Zusammenspiel von moderner Architektur und wiederaufgebauter Altstadt. Dieser Eindruck wurde bestärkt durch den Empfang der Warschauer Stadtpräsidentin, die mit ihren Ausführungen zur Geschichte und aktuellen Lage in Warschau und Polen überzeugen konnte. Die Orte der unfassbaren Taten und des unermesslichen Leids von 60.0000 Menschen persönlich zu erfahren, hinterließ bei allen sehr emotionale Momente. Zu den besonderen Höhepunkten zählte die persönliche Gestaltung einer Gedenkstunde und Kranzniederlegung durch die Schülerinnen und Schüler, in der sie an die Detmolder Opfer des Warschauer Ghettos erinnerten und die eigene Verantwortung der Geschichte für die Zukunft anmahnten. Dazu Sophie Gurcke abschließend:

"Wir müssen den Mund aufmachen gegen Unrecht, Ungerechtigkeit, Unfairness und gegen falsche Einflüsse und Modeerscheinungen. Auch heute müssen wir wieder erkennen, dass die Menschheit nicht wirklich dazulernt und sich gegen rechts- oder auch linksextreme Bewegungen nicht besonders wehrt. Extreme Liedstrophen werden hingenommen, menschenverachtende Äußerungen werden ignoriert. Es liegt an uns, den Mund aufzumachen gegen derartige Strömungen."

Klangvolles Gedenken in Warschau

Prof. Matitjahu Kellig spielt zum 75. Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto

Text und Foto: Thomas Krügler

Zum 75. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto hat Prof. Matitjahu Kellig, emeritierter Klavierprofessor aus Detmold, ein Gedenkkonzert in der evangelisch-reformierten Kirche Warschau, einer Partnerkirche der Lippischen Landeskirche, gegeben, das vom polnischen Fernsehen aufgezeichnet wurde. Unter den 200 Hörern waren auch 50 Gäste aus Lippe, die mit Detmolds Bürgermeister Rainer Heller, Landessuperintendent Dietmar Arends und 21 Schülern anreisten. Sie hielten die Erinnerung wach, dass der Detmolder SS-Befehlshaber Jürgen Stroop den Aufstand niederschlug. Tausende Tote waren die Folge. "Nur wenn wir uns erinnern, bleiben wir bewahrt, dass Ähnliches geschieht.", sagte Arends. "Vergessen nein- vergeben ja, ohne nachtragend zu sein" ist auch die Haltung des Warschauer Pfarrers Piotr Gaś.

Das Gedenkkonzert baute Brücken zwischen, Nationen und Generationen, Vergangenheit und Gegenwart, Alter und Neuer Musik sowie Juden und Christen. Pianist Kellig, der auch Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Herford-Detmold ist, betonte, dass 2018 ein besonderes Jahr sei. "70 Jahre Israel - 75 Jahre Ghettoaufstand - 80 Jahre Reichspogromnacht. Zuerst wurden Bücher, dann Synagogen und schließlich Menschen verbrannt."

Kellig ließ die bachsche Sarabande der Partita Nr. 1 B-Dur BWV 825 wunderbar singen. Klare Melodieführung mit Trillerfiguren füllte, dynamisch austariert, den Kirchraum voller Ehrfurcht. Bach als Bote christlicher Kultur verband sich nahtlos mit "Zwei Preludes im impressionistischen Stil" des israelischen Komponisten Ben Zion Orgad (1926-2006). Als Peter Büschel in Gelsenkirchen geboren überlebte er den Holocaust, da er 1933 nach Palästina emigrierte. Schluss-und Anfangston verbanden die gegensätzlichen Werke. Mischklänge und spannungsreiche Intervalle schufen eine Mystik, die an Debussy erinnerte. Harte Akzente bäumten sich auf und zerstörten das Idyll der heilen Welt. Melancholie ergriff das Publikum beim Adagio d-Moll von Allessandro Marcello, das Kellig ausdrucksstark interpretierte. Die "Music For Piano" (1967) von Paul Ben-Haim (1897-1984) erzielte große Dramatik. Der Komponist floh 1933 als Paul Frankenburger nach Palästina, wo er Lehrer von Ben Zion Orgad wurde. Zerstückelte Phrasen verfremdeten die Tradition einer abgeschlossenen Melodie. Die ganze Klaviatur kostete das spannungsreiche Werk "Acoustics für Klavier" von Lior Shambadal aus, das zu Kelligs Uraufführungs-Repertoire gehört. Der 1950 in Tel Aviv geborene Musiker ist seit 1997 Chefdirigent der Berliner Symphoniker. Hartnäckige Repetitionstöne in extremer Lage, unterbrochen von überraschenden Akkordschlägen, wechselten mit sphärischen Klängen. Die Sonate g-Moll von Domenico Scarlatti schuf einen versöhnlichen Ausklang. Das kontrastvolle, fein abgestimmte Programm ließ vermeintlich Altbekanntes mit ganz neuen Ohren hören. Das begeisterte Publikum bedankte sich mit viel Applaus.

Landessuperintendent Dietmar Arends predigt im Gottesdienst in Warschau

Antisemitismus deutlich widersprechen

Anlässlich des 75. Gedenktages des Aufstands im Warschauer Ghetto hat Landessuperintendent Dietmar Arends gefordert, die Erinnerung an das, was geschehen ist, wachzuhalten. In seiner Predigt am Sonntag, 22. April, in der evangelisch-reformierten Kirche in Warschau sagte Arends: "Es gibt immer wieder Stimmen - und sie werden wieder lauter bei uns - die sagen, es muss doch einmal Schluss sein mit dem Erinnern. Nein, es darf nicht Schluss sein mit dem Erinnern! Nur wenn wir uns erinnern, können wir davor bewahrt werden, dass Ähnliches wieder geschieht. Zu deutlich sehen wir in dieser Welt, wozu Menschen fähig sind. Zu deutlich sehen wir, dass Antisemitismus in Deutschland und an anderen Orten wieder um sich greift." Es sei "unsere Verantwortung aus der Erinnerung heraus", als "Nachfahren derer, die an diesem und an so vielen anderen Orten in Europa diese unsagbaren Verbrechen begangen haben", dem von Anfang an deutlich zu widersprechen: "Wenn schon nicht Kollektivschuld, so empfinde ich persönlich doch so etwas wie Kollektivscham für diese fürchterlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Doch umso notwendiger ist es, dass wir uns erinnern."

Gemeinsam mit einer Abordnung der Stadt Detmold, Schülerinnen und Schülern von Detmolder und Lemgoer Gymnasien sowie Mitgliedern der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe e.V. sind Vertreter der Lippischen Landeskirche nach Warschau gereist. Detmolds Bürgermeister Rainer Heller und Landessuperintendent Dietmar Arends nehmen an der Reise teil.

Im Rahmen der 5-tägigen Gedenkfahrt nimmt die Gruppe an mehreren Gedenkveranstaltungen teil, an Führungen durch das ehemalige jüdische Ghetto, besucht die Synagoge in Warschau, und führt Gespräche mit der evangelisch-reformierten Gemeinde vor Ort. Ein Grund für die Gedenkfahrt ist, dass der SS-Befehlshaber Jürgen Stroop, der für die Niederschlagung des Aufstands im Warschauer Ghetto mit tausenden Toten verantwortlich war, aus Detmold stammte.